obw-Werkstattrat – Interessenvertretung für Menschen mit Beeinträchtigung
obw-Werkstattrat – Interessenvertretung für Menschen mit Beeinträchtigung
Wer keine direkte Berührung mit den Themen „Teilhabe am Arbeitsleben“, „Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigung“, „Werkstattarbeitsplätze“ oder dem Begriff „WfbM“ (Werkstatt für behinderte Menschen) hat, hat vielleicht auch noch nie vom Werkstattrat gehört. So geht es wohl vielen Menschen.
Was ist ein Werkstattrat? Hintergründe, Entwicklung und Vergleich
Bei der obw arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in vielen verschiedenen Bereichen – unter anderem in unseren Werkstätten, Manufakturen sowie in der Gastronomie und im Einzelhandel. Immer, wenn wir nachfolgend von Werkstattarbeitsplätzen sprechen, betrifft das ausschließlich die Arbeitsbereiche der Menschen mit Beeinträchtigung – und hierfür gibt es eine Mitarbeitervertretung – den sogenannten Werkstattrat.
Den Werkstattrat kannst du dir so ähnlich vorstellen wie einen Betriebsrat – den gibt es übrigens auch bei der obw – für alle Angestellten (Personal). Den Unterschied erklären wir dir am Ende dieses Artikels noch einmal genauer.
Allerdings ist die Geschichte und Entwicklung des Werkstattrats und der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) wesentlich jünger als die der Betriebsräte und des Betriebsverfassungsgesetzes. Erst 2001 wurde die WMVO gesetzlich verankert – als Rechtsordnung des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) hat die ursprüngliche WMVO noch einmal wesentliche Änderungen erfahren – hier ist unter anderem die Einführung der Frauenbeauftragten zu erwähnen. Doch zu diesem Thema erfährst du demnächst in einem eigenen Blogbeitrag mehr.
Die Werkstättenverordnung (WVO) definiert Aufgaben und Organisation der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Der § 14 der Werkstättenverordnung sah seit 1980 vor, Menschen mit Behinderungen eine angemessene Mitbestimmung und Mitwirkung durch Werkstatträte zu ermöglichen.
Entwicklung des obw-Werkstattrates
In der obw gibt es auch bereits seit den 1980er Jahren eine Interessenvertretung für Werkstattmitarbeiter*innen und seit 20 Jahren einen Werkstattrat – genauer gesagt, bis vor kurzem sogar zwei Werkstatträte: jeweils einen Werkstattrat aus dem Bereich der Beschäftigung „Menschen mit psychischer Beeinträchtigung“ und für den Bereich „Menschen mit geistig-körperlicher Beeinträchtigung“. Diese beiden Bereiche wurden 2021 zusammengeführt; seitdem agiert ein Werkstattrat. Die aktuelle Fassung der WMVO sieht einen Werkstattrat pro Träger vor.
Die Größe eines Werkstattrates ist abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter*innen in einem Unternehmen und über eine Staffelung vorgegeben. Da in der obw im Schnitt 600 bis 700 Mitarbeiter*innen (Menschen mit Beeinträchtigung) beschäftigt sind, zählt unser Werkstattrat 7 Mitglieder
Im Sinne der Mitarbeiter*innen – der Werkstattrat setzt sich ein
Der Werkstattrat wird in geheimen Werkstattrat-Wahlen für eine Amtszeit von vier Jahren von den Mitarbeiter*innen gewählt. Die WMVO bezeichnet Hinrich Nannen, der Werkstattrat-Vorsitzende der obw, als „das Handwerkzeug des Werkstattrats“. Hier ist unter anderem definiert, wann der Werkstattrat ein Mitwirkungs- oder ein Mitbestimmungsrecht hat.
Bei der Mitwirkung kann der Werkstattrat seine Meinung äußern, sein Statement abgeben. Hierzu finden in regelmäßigen Treffen ein Austausch zwischen Werkstattrat, Werkstattleitung und Geschäftsführung statt. Bei der Mitbestimmung hat der Werkstattrat Mitsprache-/Entscheidungsrecht z. B. wenn es um bauliche Angelegenheit geht oder um die Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitszeiten- und Pausenregelung in den unterschiedlichen Werkstattbereichen, Betriebsurlaubsregelung oder auch um das Arbeitsentgelt. Die aktuelle Fassung der WMVO findest du hier.
Was passiert, wenn sich Werkstattrat und Geschäftsführung nicht einigen können?
Glücklicherweise gab es diesen Fall bei der obw noch nicht, berichtet Hinrich Nannen. Theoretisch und praktisch wäre es dann so, dass eine Schlichtungsstelle = Vermittlungsstelle angerufen wird. Dort versucht ein/e Unparteiische/r mit Erfahrung und Kenntnissen aus dem WfbM Bereich, der dieses Amt ehrenamtlich ausübt, zwischen den Parteien zu vermitteln, um so eine Lösung/Einigung herbeizuführen.
Die Arbeit innerhalb des Werkstattrats und die Schnittstellen innerhalb der obw
Gern zitiert Hinrich Nannen, den Geschäftsführer der obw, Prof. Burghardt Zirpins (1997 bis 2022), mit dem er viele Jahre konstruktiv und produktiv zusammengearbeitet hat: „Der Werkstattrat ist das Aushängeschild einer Einrichtung.“
Es ist wichtig, immer gemeinsam einen Kompromiss zu finden, so sieht das auch Hinrich Nannen. Und es ist wichtig zu wissen wofür man sich engagiert. Wie steht Hinrich Nannen dazu? Gefragt nach seiner Motivation, kommt ohne Umwege folgende Aufzählung:
- Pflichte und Rechte der Menschen mit Beeinträchtigung müssen geachtet werden
- „Daseinsberechtigung“ der Werkstätten muss noch klarer in der Gesellschaft kommuniziert werden
- Das Ziel ist eine inklusive Gesellschaft
Und dann verrät Hinrich Nannen noch, dass er bis 70 arbeiten möchte. Gut, dass das noch einige Jahre dauert.
Ihm ist es besonders wichtig zu erklären, warum Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt niemals vollständig Werkstattarbeitsplätze ersetzen können. Den Rahmen, die Sicherheit und Struktur, die eine Werkstatt für behinderte Menschen bietet, können viele Firmen nicht leisten. Das ist allerdings für viele die Grundvoraussetzung, damit Menschen mit einer Beeinträchtigung tatsächlich am Arbeitsleben teilhaben können.
Hinrich Nannen ist besorgt, als er erzählt, dass es die Menschen in den Werkstätten verunsichert, wenn sie die Diskussionen verfolgen, die die Existenz von Werkstätten in Frage stellen. Für ihn gibt es keine Alternative – und dafür kämpft er, auch auf regionaler Landes- und sogar auf Bundesebene im Verbund der Werkstatträte Deutschland.
Rahmenbedingungen für den Werkstattrat
Der Werkstattrat wird von einer Assistenz unterstützt. Ein Büro wird zur Verfügung gestellt inkl. Ausstattung und Technik. Das Büro muss sich auch dazu eignen, Sprechstunden abzuhalten. Die Gespräche werden selbstverständlich vertraulich behandelt – Der Werkstattrat hat Schweigepflicht.
Er ist in allen Werkstätten präsent: klassisch mit Info-Aushang an den Info-Tafeln oder digital im Mebis-Info-System. Hier können sich die Mitarbeiter*innen per Touch-Screen Informationen zu verschiedenen Bereichen einholen oder sich über Aktuelles informieren.
Jährlich gibt es mindestens eine Werkstatt-Versammlung. Hierzu kann der Werkstattrat auch externe Referenten einladen. Ein Schwerpunkt der Versammlung ist der Bericht der Werksattleitung über die Geschäftsentwicklung, aktuelle Vorhaben oder anstehende Änderungen.
Werkstatträte können an einer Vielzahl von angebotenen Weiterbildungen zu bereichsrelevanten Themen teilnehmen.
Übrigens: Bei der obw hat jedes Mitglied des Werkstattrats seinen eigenen Themenbereich und es gibt Ansprechpartner*innen in den einzelnen obw-Einrichtungen für genau die Mitarbeiter*innen-Gruppe, die an diesem Standort beschäftigt ist.
Wo liegt jetzt der Unterschied zwischen Mitarbeiter*innen und Personal?
Wie bereits erwähnt, steht allen Angestellten (Personal) der Betriebsrat als Ansprechpartner bei Bedarf für deren Arbeitnehmer-Belange zur Verfügung.
Mitarbeiter*innen in den Werkstattbereichen wenden sich an den Werkstattrat. Sie sind in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis beschäftigt.
Oftmals verfolgen wir Diskussionen über die Entlohnung, die viele als nicht gerecht empfinden – meist ohne die sonstigen Sozialleistungen im Blick, die Menschen mit Beeinträchtigung zur Verfügung stehen. Da dies ein sehr komplexes Thema ist, werden wir dieses in einem späteren Blogartikel transparent gestalten. Wenn dich das interessiert – verfolge einfach unsere Blogbeiträge weiter. So kannst du dir dein eigenes Bild machen.