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24. Mai 2022

Berufsbildungsbereich – berufliche Weichenstellung

Berufsbildungsbereich – berufliche Weichenstellung

Wer glaubt, der Berufsbildungsbereich (BBB) ist nur für junge Leute – der irrt. Im BBB der obw sind die Teilnehmer*innen zwischen 16 und 60 Jahre alt. Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung oder psychischen Erkrankung können im BBB den Einstieg oder Wiedereinstieg ins Arbeitsleben finden.

Jugendliche und junge Erwachsene, die sich im Berufsbildungsbereich erstmalig mit ihrer beruflichen Zukunft auseinandersetzen, erhalten hier die Chance, sich in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern auszuprobieren. Dabei lernen sie die eigenen Stärken und Fähigkeiten kennen. Doch nicht immer passt etwas auf Anhieb. Dann kann es durchaus verschiedene Anläufe in unterschiedliche Richtungen geben.

Die Bildungsbegleiter*innen des BBB haben es im Blick: Sie schauen, ob der eingeschlagene Weg funktioniert und ermitteln welche Branche, welche Aufgaben, welches Umfeld für den jungen Menschen richtig ist. Wo kann er/sie am ehesten seinen/ihren Neigungen nachkommen, wo können die Wünsche so berücksichtigt werden, dass er/sie sich wohlfühlt, sich (weiter)entwickeln kann und auch langfristig eine berufliche Zukunftschance hat – auch im Hinblick auf den ersten Arbeitsmarkt.

Hier unterstützt ein berufsbegleiter aus der Werkstatt für Metallverarbeitung

Alleine innerhalb der obw mit ihren differenzierten Teilhabeangeboten, die sich in der industriellen Fertigung, in Manufakturen, Einzel- und Fachhandels-Geschäften sowie in Gastronomie- und Dienstleistungsbetrieben wiederfinden, ergeben sich zahlreiche (insgesamt 16!) Berufsfelder. Diese bieten eine große Vielfalt an Qualifizierungsmöglichkeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel

  • Metallverarbeitung
  • CNC/ Montage und Verpackung
  • Tischlerei
  • Lager und Logistik
  • Gastronomie
  • Wäscherei
  • Ledermanufaktur
  • Foodmanufaktur
  • Einzelhandel
  • Wirtschaftsdienste
  • Garten- und Landschaftsbau
  • Floristik

Das sind alles sogenannte Werkstattbereiche, auch wenn nicht jeder Name der Abteilung bzw. des Einsatzbereiches nach „Werkstatt“ klingt und auch von Kunden und Gästen ganz anders wahrgenommen wird: Diese sind für sie einfach ein schönes Café, Restaurant, ein Laden für tolle Geschenkideen und kulinarische Köstlichkeiten oder ein Supermarkt. Hier hat die obw im Unternehmen selbst viele Möglichkeiten. Und es gibt noch mehr Optionen:

Betriebsintegrierte Qualifizierungsplätze

Es ist (fast) alles möglich, wenn jemand außerhalb eines obw-Werkstattbereiches seine BBB-Teilnahme absolvieren möchte.

Auch in der Gastronomie kann man die Maßnahme des BBB für Menschen mit Behinderungen oder psychischen Problemen absolvieren

Auch sogenannte „betriebsintegrierte Qualifizierungsplätze“ bei externen Kooperationsfirmen und solchen, die es werden wollen, organisiert das Team des Berufsbildungsbereichs. Entweder es existiert selbst schon eine Idee oder wir suchen gemeinsam mit den Integrationsbegleiter*innen der obw den passenden Betrieb für unsere Teilnehmer*innen. Der Unterschied zum Berufsbildungsbereich in einem der Werkstattbereiche der obw: die Teilnehmenden werden in einem „Betrieb des ersten Arbeitsmarktes“ qualifiziert – das kann eigentlich (fast) jeder Betrieb in der Region sein:

  • Hotels
  • Alten- und Pflegeheime
  • Hoch-/Tiefbau-Firmen
  • Landwirtschaftliche Betriebe
  • Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen

 und viele weitere … 

Ein Beispiel: Niklas erfüllt sich seinen Traum

Ein schönes Beispiel, wie eine BBB-Maßnahme außerhalb der Werkstattbereiche der obw laufen kann, zeigt uns Niklas. Er kam zu uns und wusste, dass er sehr gerne in einem landwirtschaftlichen Betrieb arbeiten würde – und er wusste auch schon in welchem! Unser Team hat zu diesem Betrieb Kontakt aufgenommen, Gespräche geführt und den BBB vorgestellt.

Unser Konzept, und natürlich Niklas, haben überzeugt. Seine Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme erfolgt nun in einem externen, landwirtschaftlichen Betrieb. Zu Niklas Aufgaben gehören: Mithilfe beim Melken, Stall ausmisten, Tiere versorgen, Mithilfe bei der Aussaat und beim Ernten sowie allgemeine Hoftätigkeiten. Hier wurde für Niklas ein Traum wahr. Sein Ansprechpartner aus dem BBB-Team und sein Integrationsbegleiter sind immer für ihn da, ganz gleich welches Anliegen er hat. Regelmäßig besuchen sie Niklas am Arbeitsplatz, informieren sich wie es läuft, und sprechen natürlich auch mit seinen Vorgesetzten.

Wie lange dauert die BBB-Maßnahme und wie geht es dann weiter?

Die Teilnahme am BBB beginnt mit einem dreimonatigen praxisorientieren Eingangsverfahren. Hier wird zunächst festgestellt, ob die Maßnahme überhaupt das richtige für den Teilnehmenden ist. Auch wenn bereits attestiert wurde, dass die Leistungsfähigkeit für den ersten Arbeitsmarkt nicht gegeben ist, müssen doch bestimmte Bedingungen mitgebracht werden, wie beispielsweise Gruppenfähigkeit. Schon im Eingangsverfahren und durch die praktischen Erfahrungen im Arbeitsalltag wird dann auch festgestellt, welche individuellen Neigungen und Fähigkeiten vorliegen.

Nach dem Eingangsverfahren schließt sich eine zweijährige Qualifizierungsphase an. Neben beruflichen/fachlichen Kompetenzen, werden allgemeine, soziale und lebenspraktische Kompetenzen vermittelt.

Nach insgesamt 27 Monaten haben sich die Teilnehmer*innen in einem oder mehreren Berufsfeldern erprobt und qualifiziert. Dann kommt der entscheidende Schritt: Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt – hier weiterhin mit Unterstützung vom BBB-Team. Es sind auch verschiedene Beschäftigungsmodelle in Kooperation mit externen Betrieben möglich. Eine Form ist zum Beispiel der schon erwähnte betriebsintegrierte Arbeitsplatz. Eine andere Form ist das Budget für Arbeit. Wo und wie wir das bereits praktizieren, das erfährst du in einem späteren Blogartikel.

Wer die Voraussetzungen für eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt (noch) nicht mitbringt, kann einen passenden Werkstattarbeitsplatz finden oder an einer weiterführenden berufsbildenden Maßnahme teilnehmen. Doch bis dahin durchlaufen die Teilnehmer*innen erst einmal das zweijährige Qualifizierungsprogramm im Berufsbildungsbereich.

Im Berufsbildungsbereich werden Menschen mit Beeinträchtigung dabei unterstützt, den Weg (zurück) ins Arbeitsleben zu finden

Das Programm im Berufsbildungsbereich

Die BBB-Teilnehmer*innen verbringen im Wechsel jeweils zwei Wochen in der beruflichen Qualifizierung – also am jeweiligen internen Werkstattarbeitsplatz oder externen Außen-Arbeitsplatz – und eine Woche im Klassenzimmer. Hier kommt die Gruppe jede dritte Woche zusammen, um an der allgemeinen Kompetenzentwicklung zu arbeiten. Diese Woche beginnt mit einem Austausch und Erfahrungsbericht – einer Reflexionsrunde. So wird ganz nebenbei trainiert, vor einer Gruppe zu sprechen. Die Bildungsbegleiter*innen gehen auf einzelne Arbeitsbereiche ein und erklären Hintergründe, damit Zusammenhänge noch besser verstanden werden können, zur Identifikation mit der Aufgabe.

Des Weiteren werden aktuelle Themen aus Politik, Wirtschaft und der Welt behandelt. Für einige Themen gibt es Unterweisungsfilme. Individuell wird das trainiert, was notwendig ist: rechnen, schreiben, lesen – jede*r wird da abgeholt, wo er/sie steht.

Der wöchentliche Besuch der Berufsschule gehört übrigens auch zum Programm. Die berufliche Bildung ist angelehnt an die Bildungspläne anerkannter Ausbildungsberufe. Am Ende der BBB-Maßnahme gibt es ein Abschluss-Zertifikat.

Unser Team im Berufsbildungsbereich

Unser Team im Berufsbildungsbereich setzt sich aus Heilpädagog*innen, Sozial-Pädagog*innen, Meister des Handwerks, Diplom-Pädagogin, Integrationsbegleiter*innen, Menschen im Dualen Studium und FSJ’ler zusammen.

Sie alle sind für die BBB-Teilnehmenden da – erkennen schnell, wenn etwas nicht funktioniert und versuchen zu klären, zu beraten, zu vermitteln. Manchmal hilft es auch schon sehr, einfach ein/e gute/r Zuhörer*in zu sein.

Im Berufsbildungsbereich werden Menschen (wieder) auf den Arbeitsmarkt vorbereitet

Hochqualifizierte Menschen auch in späteren Lebensphasen Teilnehmende im BBB

Jeder hat seine Geschichte: Bei den „älteren“ Teilnehmer*innen handelt es sich um Menschen, die zum Beispiel aufgrund eines Unfalls so beeinträchtigt sind, dass sie nicht mehr in den alten Beruf zurückkehren bzw. nicht mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten können.

Oder auch Menschen, die im Laufe ihres Lebens eine psychische Erkrankung wie z.B. eine Borderline-Persönlichkeitsstörung, eine Depression oder Schizophrenie entwickelt haben oder am Burn-Out-Syndrom leiden. Das sind oft hochqualifizierte Menschen, die den Belastungen des ersten Arbeitsmarktes nicht mehr oder zum aktuellen Zeitpunkt nicht gewachsen sind.

Die Unterstützungsbedarfe sind sehr unterschiedlich. Ganz gleich welchen Alters und ganz gleich welche Ursachen zugrunde liegen. Ältere Menschen bringen natürlich umfangreichere Lebenserfahrung mit. So ist es selbstverständlich, dass ein „gestandener Mensch“ mit langjähriger Berufs- und Lebenserfahrung inhaltlich nicht das gleiche BBB-Programm durchläuft wie junge Menschen ohne diesen Hintergrund.

So wie die Menschen, sind auch die Wege im BBB sehr individuell. Das Ziel ist das Gleiche: einen (neuen) Berufsweg finden. Teilhabe am Arbeitsleben bedeutet Selbstvertrauen entwickeln, eine erfüllende Aufgabe haben, gebraucht werden, Team-Mitglied sein und dazugehören. So funktioniert Teilhabe an der Gesellschaft – am Leben.